„Die Union sollte für Minderheiten offen sein und die Rechte sollten vereinheitlicht werden“

Łukasz Kohut, MdEP, der sich zur Wiederwahl stellt, beantwortet die Fragen der FUEN an die Kandidaten für das Europäische Parlament. In dem Interview spricht er auch über die Zusammenarbeit mit der deutschen Minderheit, zieht ein Resümee seiner ersten Amtszeit und stellt die Forderungen vor, mit denen er in die nächste Wahlperiode geht. 

Anita Pendziałek: Ihre erste Amtszeit im Europäischen Parlament liegt hinter Ihnen. Wie würden Sie sie in ein paar Worten zusammenfassen?

Lukasz Kohut: Es war so intensiv, dass ich nicht weiß, wie ich heiße. Allein vier Ausschüsse im Europäischen Parlament und Aktivitäten, die von bürgerlichen Angelegenheiten, Industrie, Bildung, Kultur, nationalen und ethnischen Minderheiten bis hin zur Istanbul-Konvention für die gesamte Europäische Union reichen. Dazu kommen die intensiven Aktivitäten in der Region im Zusammenhang mit der Zusammenarbeit mit Ślonsko Sztama, der Volkszählung - die zu einem sehr guten Ergebnis geführt hat - und dem Kampf für die schlesische Sprache. Hinzu kommt die Förderung der schlesischen Kultur, unter anderem mit dem Monodrama „Mianujom mie Hanka“ in Brüssel, im polnischen Parlament und zuletzt in Nikiszowiec. Zu den Aktivitäten der letzten Amtsperiode gehört auch ein Unterstützungsschild für Menschen aus Schlesien, z. B. für Grenzgänger. Wir haben auch einen Einkaufsnotstand während der Pandemie organisiert. Ich kann diese Amtszeit nicht anders zusammenfassen, als alles einzeln aufzuzählen, denn es gibt so viel, dass eine Einordnung nicht möglich ist. Für mich war es eine sehr gute und intensive Amtszeit. Beruflich fühle ich mich erfüllt und zufrieden. Ich will mehr und ich will weitergehen, deshalb werde ich mich am 9. Juni einer Wahlprüfung unterziehen und wir werden sehen, ob ich die Möglichkeit bekomme, weiterzumachen.

Sie haben die offizielle Unterstützung der deutschen Minderheit in der Woiwodschaft Schlesien erhalten, um die Sie sich beworben haben. Ihre Bewerbung war erfolgreich und die Begründung basierte auf sehr guter bisheriger Zusammenarbeit. Wie sah diese also aus?

Während der antideutschen Propaganda der Regierung von Recht und Gerechtigkeit in den öffentlichen Medien habe ich mich nicht gescheut zu sagen, dass die deutsche Minderheit in Schlesien existiert, dass sie ihre Rechte hat und dass diese Rechte geachtet werden müssen. Und ich habe immer noch keine Angst, dies zu tun. Als die Abgeordneten Jaki und Kowalski gegen die deutsche Minderheit vorgingen, habe ich im Ministerium interveniert. Ich habe auch Maßnahmen gegen die Diskriminierung der Kinder der deutschen Minderheit unterstützt. Auch die Oberschlesische Tragödie ist ein gemeinsames Thema. Ich habe sie aus den dunklen Ecken Schlesiens ins Europäische Parlament getragen. Ich habe auch an vielen Gedenkfeiern teilgenommen und nehme weiterhin daran teil, sei es in Lamsdorf oder in Zgoda. Wir haben den 80. Jahrestag der Oberschlesischen Tragödie vor uns (im Jahr 2025 – Anm. d. Red.) und ich freue mich darauf, die Aktivitäten zum Jahrestag gemeinsam zu koordinieren. Ich arbeite gut mit der deutschen Minderheit zusammen. Das sind konkrete Menschen, die wissen, was harte Arbeit ist. Ich danke der deutschen Minderheit, dass sie mich unterstützt. Darauf bin ich sehr stolz, denn Schlesien war schon immer multikulturell. Die deutsche Minderheit ist ein Teil davon.

In letzter Zeit wurden Ihnen oft Fragen zu der Listenänderung bei den EP-Wahlen gestellt. Sie antworten dann immer wieder: „Meine Partei ist die Region“. Was sind denn die Forderungen dieser „persönlichen Partei“?

Meine Partei ist die schlesische Woiwodschaft und Oberschlesien. Ich treffe mich mit Menschen auf beiden Seiten des Flusses Brynica. Auch wenn ich ethnischer Schlesier bin, kämpfe ich für kulturelle Fragen und für die Identität beider Teile der Woiwodschaft. Die Initiative „Kulturhauptstadt Europas“ für die gesamte Metropole ist etwas, das nicht nur Oberschlesien, sondern auch Zagłębie zugutekommen wird. Ich bin wirklich positiv überrascht von den Reaktionen auf meinen Wahlkampf, auch auf der anderen Seite des Flusses Brynica – in Sosnowiec, Dąbrowa Górnicza, Będzin, sogar in Częstochowa oder Myszków. Die Menschen wissen, dass ich von hier bin, und sie wollen, dass jemand aus dieser Woiwodschaft sie vertritt. Und ich kenne diese Woiwodschaft und alle ihre historischen und kulturellen Teilregionen sehr gut. Von Teschener Schlesien - wo mein Vater herkam - über die oberschlesischen Gebiete bis in den Norden. Ich weiß sogar, an welchem Wochentag ich in die Region fahren sollte, um mich mit Wählern zu treffen, denn ich weiß, wie die Menschen hier leben, wo die Märkte sind, welche Orte sie gerne besuchen, welche Veranstaltungen beliebt sind.... Ich kenne diese Region wie meine Westentasche. Und damit meine ich nicht nur die Treffen in den letzten Wochen des Wahlkampfs, sondern die Wochenenden der letzten fünf Jahre. Ich habe sie damit verbracht, Menschen in verschiedenen Teilen der Woiwodschaft zu treffen, und es war mir ein Vergnügen.

Zurück zu den Treffen mit der deutschen Minderheit. Eine der Initiativen, die Sie unterstützt haben, war die Minority SafePack Initiative (MSPI), die von der FUEN, der Föderalistischen Union Europäischer Minderheiten, koordiniert und ins Leben gerufen wurde. Diese gab eine Liste von Fragen an die Kandidaten für das Europäische Parlament heraus. Die erste dieser Fragen betrifft die MSPI. Diese Initiative, die darauf abzielt, die Standards anzugleichen und die Rechte von Minderheiten in den EU-Ländern besser zu schützen, wurde von der Europäischen Kommission im Jahr 2021 abgelehnt. Würden Sie eine ähnliche Initiative in Zukunft unterstützen?

Ich bedaure sehr, dass ich in der Anfangsphase der Unterschriftensammlung für die MSPI nichts von dieser Initiative wusste. Das war, bevor ich Mitglied des Europäischen Parlaments wurde. Als das Thema im Europäischen Parlament aufkam, habe ich natürlich dafür gestimmt, und ich würde die MSPI natürlich wieder unterstützen. Und ich hoffe, dass es eine Gelegenheit dazu geben wird; dass es einen weiteren Versuch geben wird, es durch die europäischen Institutionen zu „schieben“. Das Parlament hat es seinerzeit mit überwältigender Mehrheit unterstützt, aber leider wurde es von der Europäischen Kommission blockiert. Ich kann diese Entscheidung nicht verstehen. Es ist eine sehr gute Initiative. Für mich ist sie offensichtlich. Das Vorstellungskraft gefehlt zu haben... Als ich von ihrer Entscheidung erfuhr, war ich sehr verärgert. Es war übrigens die gleiche Zeit, als ich zum ersten Mal in Schlesisch im Parlament gesprochen habe. Damals begann die Diskussion eben wegen der MSPI. Ich hoffe sehr, dass diese Bürgerinitiative im kommenden Europäischen Parlament fortgesetzt wird.

Ein weiterer Impuls, eine weitere Frage der FUEN: Glauben Sie, dass nationale und ethnische Minderheiten und Sprachgemeinschaften in der EU politisch unterstützt werden müssen? Würden Sie eine Initiative zur Wiedereinsetzung einer Arbeitsgruppe für Minderheiten und Sprachgemeinschaften unterstützen?

Ja, aber es ist nicht einfach. Die MSPI-Initiative hätte geholfen, denn sie hätte die Zuständigkeiten der Europäischen Union um Maßnahmen wie die Schaffung einer Kommission erweitert, die sich mit diesen Fragen befasst. Im EP gibt es eine interfraktionelle Arbeitsgruppe für nationale und ethnische Minderheiten und Regionalsprachen, an der ich aktiv beteiligt war. Ich hoffe sehr, dass sie wieder eingerichtet wird. Sie ist mir wichtig, denn ich würde gerne wieder Mitglied werden. Aber solche Gruppen werden leider nicht automatisch eingerichtet. Es muss sich eine ausreichende Zahl von Mitgliedern finden, damit sie eingerichtet werden kann. Am Ende dieser Legislaturperiode habe ich mit anderen Mitgliedern der interfraktionellen Gruppe darüber gesprochen, sie in einer zukünftigen Legislaturperiode fortzuführen. Allerdings hängt alles davon ab, wie viele von uns wieder ernannt werden. Diese interfraktionelle Arbeitsgruppe ist insofern einzigartig, als in ihr Abgeordnete aus verschiedenen Fraktionen vertreten sind, sogar aus der ungarischen Fidesz. In jeder anderen politischen Arena ist dies praktisch unmöglich.

Und stimmen Sie der Aussage zu, dass – auch das ist eine Frage, die auf Impulsen der FUEN beruht – ein Dialog zwischen EU-Entscheidungsträgern und Experten aus Minderheitengemeinschaften notwendig ist? Würden Sie eine Initiative zur Schaffung eines Beratungsgremiums für Minderheiten unterstützen?

Natürlich würde ich das. Die bereits erwähnte interfraktionelle Arbeitsgruppe erfüllt diese Rolle in gewisser Weise, aber wie ich bereits erwähnt habe, sollte sie meiner Meinung nach ein Unterausschuss sein. Ein Ausschuss ist ein statutarisches Organ des Europäischen Parlaments, Unterausschüsse sind ein anderes. Diese interfraktionelle Gruppe hingegen wird ad hoc gebildet. Es wäre daher notwendig, einen Unterausschuss innerhalb des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten einzurichten, da dies wahrscheinlich der beste Ort für die Einsetzung eines solchen Unterausschusses ist. Ich beziehe mich hier auf den LIBE-Ausschuss, dem ich auch angehörte. Dann könnten diese Rechte nationaler und ethnischer Minderheiten in der Tat stärker artikuliert werden. Denn so sollte die Union auch sein. Sie sollte offen sein für die Minderheiten. Und die Rechte sollten vereinheitlicht werden. Vielleicht wäre dann auch die Frage der Anerkennung der schlesischen Sprache als Regionalsprache in unserem Land eine andere...

Mit der Frage wurde gemeint, ob Experten aus Minderheiten in dieses Gremium – Kommission, Unterausschuss, Gruppe – aufgenommen werden sollen. Die Idee wäre also, einen gemeinsamen Ausschuss zu bilden...

Genauso sollte es funktionieren. Experten haben oft viel mehr Wissen als Politiker. Außerdem - Politiker ändern sich, sie werden gewählt oder nicht. Es ist also eine gute Idee, so etwas einzurichten. Ich denke, dass auch der Europarat an diesem Prozess teilnehmen könnte. Zugegeben, er ist keine Institution der Europäischen Union und er ist breiter aufgestellt, weil er mehr Staaten vereint, aber er befasst sich auch mit dieser Art von Angelegenheiten. Vielleicht ist das für mich ein Thema für eine zukünftige Amtszeit im Europäischen Parlament.

Damit haben Sie meine letzte Frage angedeutet: Womit gehen Sie in das EP für eine weitere Amtszeit?

Ich will keine „Perlen vor die Säue“ werfen, denn ich weiß, wie das Europäische Parlament funktioniert. Als ich vor fünf Jahren gesagt habe, dass ich dafür kämpfen werde, das Thema der schlesischen Sprache in die Öffentlichkeit zu tragen, haben sich die Journalisten an die Stirn geklopft und gesagt, dass das unmöglich sei. Und doch wurde es getan. Diesmal verspreche ich jedoch keine oben erwähnten „Perlen“ werfen. Ich denke, dass es in diesen nächsten fünf Jahren sicherlich notwendig sein wird, den nächsten Präsidenten zur Anerkennung der schlesischen Sprache zu drängen. Ich werde dies als Koordinator von Ślonsko Sztama tun. Ins Parlament gehe ich u. a. mit einer konkreten Forderung, die für ganz Polen wichtig ist: Wir haben den Nationaler Wiederaufbauplan (poln. KPO), der seit zwei Jahren von Recht und Gerechtigkeit blockiert wird. Deshalb werde ich darauf drängen, dass Polen dieses Geld zwei Jahre länger ausgeben kann, also nicht bis Ende 2026, sondern bis Ende 2028. Die lokalen Behörden wären einfach nicht in der Lage, diese Mittel in so kurzer Zeit auszugeben, und sie müssen gut angelegt sein. In der Woiwodschaft Schlesien geht es um insgesamt 6 Milliarden Euro, und das sind Mittel für große Investitionen, die Zeit brauchen. Eine weitere Sache ist die Kulturhauptstadt Europas für die gesamte Metropole und Gespräche mit dem Kulturminister - die Angelegenheit ist jetzt in diesem Stadium - damit 2029 eine Kulturbrücke über die Brynica gebaut werden kann; damit die Städte Oberschlesien und Zagłębie in Bezug auf die Infrastruktur subventioniert werden. Mit dieser Veranstaltung werden wir sicherlich das Interesse an unserer Region so in Polen wie auch in Europa wecken. Ich denke, dass viele Menschen - ich meine diejenigen, die stereotyp denken, dass Schlesien schmutzig und industriell ist - überrascht sein werden, denn es ist ganz anders. Ich denke, dass das die Kulturhauptstadt, wenn das Vorhaben erfolgreich ist, eine Mode für Schlesien und für den Besuch der schlesischen Woiwodschaft einleiten wird.

Würden Sie sich als Europaabgeordneter auch in der Region für die schlesische Sprache, Kultur und Geschichte weiter einsetzen?

Ja, natürlich. Ich würde sogar gerne in der nächsten Wahlperiode früher aus Brüssel zurückkommen, um öfter in der Region zu sein. Davon würde auch mein Privatleben profitieren. Ich denke auch daran, eine Zeitung in schlesischer Sprache herauszugeben, in der nicht nur Geschichte und Kultur, sondern vor allem aktuelle politische und gesellschaftliche Ereignisse beschrieben werden. Dies sind zwei weitere Herausforderungen, die ich mir für die nächsten fünf Jahre vorgenommen habe.

Vielen Dank für das Gespräch.

Danke.