„Es ist ein Gefühl einer Verpflichtung gegenüber den Vorfahren“

Vor Kurzem wurden sie mit Dankesurkunden des deutschen Botschafters in Polen ausgezeichnet. Sie sagen selbst, dass ihr privater Kalender den DFK-Terminen angepasst ist. Ihre Verdienste gegenüber der deutschen Minderheit sind enorm, selbst sagen sie aber, dass sie das Gefühl einer gewissen Verpflichtung gegenüber den Vorfahren haben, das Erbe weiterzugeben und dass es eine Art „genetischer Belastung“ sei. Die Rede ist von Dorota und Michał Matheja, dem wohl aktivsten Ehepaar in dem Deutschen Freundschaftskreis. Monika Plura sprach mit ihnen über ihren Einsatz für die Entwicklung der deutschen Minderheit und die Beweggründe für die langjährige Tätigkeit.

Sie sind beide sehr aktiv in den Strukturen der deutschen Minderheit, wie hat das Abenteuer mit der Minderheit angefangen?

Dorota: Bei mir war es ziemlich typisch. Im April 1990 wurde in Tost die DFK-Ortsgruppe gegründet und zusammen mit meiner Mutter haben wir uns eingeschrieben. Mein DFK-Mitgliedschaftsausweis hat die Nummer 26, also war es in den ersten Tagen nach der Einrichtung der lokalen Strukturen. Da ich Deutsch sprach und zu dieser Zeit der jüngeren Generation angehörte, schickten sie mich zu verschiedenen Treffen, darunter zur Schmiede in Zawada, die für die Minderheit im Bezirk Gleiwitz legendär war. Dort traf ich mich mit der Initiative zur Gründung einer Jugendgruppe, die wir ins Leben gerufen haben, und ich war etwa vier Jahre lang deren Vorsitzende.

Michał: Ich studierte seit 1986 in Oppeln und wohnte in einem Studentenwohnheim. Seit dem Jahr 1988 hatten wir eine Gruppe, die intensiv Skat spielte, aber wir lernten auch zusammen die deutsche Sprache mithilfe von DDR-Platten. Zum größten Teil aus recht pragmatischen Gründen, denn es war eine Zeit, in der fast jeder die Auswanderung plante oder zumindest darüber nachgedacht hat. Natürlich gab es zu dieser Zeit auch viel Politik. Ich erinnere mich an einen Freund aus Klein Strehlitz (Strzeleczki), der mir erzählte, dass in seiner Gegend Unterschriften von Personen gesammelt werden, die die deutsche Nationalität erklären. Vor den ersten teilweise demokratischen Wahlen (4. Juni 1989) kam Adam Michnik in die Aula der Technischen Hochschule (Wyższej Szkoły Inżynierskiej). Fragen konnten nur auf Kärtchen gestellt werden, ich fragte nach der Anerkennung der deutschen Minderheit. Die Antwort war dann sehr rätselhaft. Im Januar 1990 gab es eine Initiative zur Gründung der Studentengruppe Oppeln. Als dann im Frühjahr in meinem Heimatort Stollarzowitz (Stolarzowice) ein DFK gegründet wurde, beantragte ich auch sofort die Mitgliedschaft.

Wie sieht Ihre Tätigkeit hier in Tost aus?

Dorota: Seit dem Jahr 2007 bin ich Vorsitzende in unserer Ortsgruppe. Die Situation war damals ziemlich schwierig, unser DFK war in Gefahr, aufgelöst zu werden. Zu dieser Zeit gab es in unserer DFK-Ortsgruppe mehrere traditionelle Ereignisse, und wir haben versucht, diese Traditionen fortzusetzen, in einigen Fällen bis heute. Wir haben aber auch begonnen, neue Ideen einzuführen, die sich an die mittlere und junge Generation richten. Daher finden in Tost Veranstaltungen zu den bekanntesten deutschen Traditionen statt wie: der Rosenmontag, das Oktoberfest, der Martinstag und der Adventsmarkt, obwohl der DFK nicht immer der Veranstalter ist. Wir haben Ereignisse mit Geschichte im Hintergrund – Veranstaltungen zum Gedenken an die Opfer des NKWD-Lagers im Jahr 1945, die sehr beliebten Fahrradtouren durch das Toster Land sowie verschiedene Formen der Popularisierung der Person des Gründers der Paralympischen Spiele, Dr. Ludwig Guttmann. Wir versuchen, das VdG-Angebot und das des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit für die junge Generation zu nutzen – wir haben zwei Samstagskursgruppen, zwei Gruppen des Deutschen Kinderclubs und eine deutschsprachige Theatergruppe Jugendbox. In der Ortsgruppe ist ein Jugendchor „Con Colore“ tätig. Jedes Jahr organisieren wir einen mehrsprachigen Märchenabend für die Kleinsten. Für uns ist es auch wichtig, die schlesische Tradition der zweisprachigen Seelsorge aufrechtzuerhalten. Einmal im Monat treffen wir uns in der Pfarrkirche zur Heiligen Messe in deutscher Sprache. Wir organisieren Pilgerfahrten nach Zuckmantel (Zlaté Hory) und Trebnitz (Trzebnica). Anfang November beten wir traditionell den Rosenkranz an dem Ort, an dem die Opfer des Lagers begraben sind. Von Zeit zu Zeit organisieren wir auch spezielle Veranstaltungen in Zusammenhang mit Jubiläen – dieses Jahr zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs – und wir versuchen sicherzustellen, dass es kein Klischee ist, sondern dass etwas davon für die Zukunft übrigbleibt. Ja, es gibt einiges und ich muss zugeben, dass sich unser privater Kalender an den Veranstaltungskalender im DFK anpassen muss.

Sie haben eine enge Zusammenarbeit mit der lokalen Selbstverwaltung, besonders mit dem Bürgermeister Grzegorz Kupczyk. Wie ist die Zusammenarbeit entstanden, was ist das Wichtigste, was Sie zusammen erreicht haben und was haben Sie noch vor?

Michał: In den Jahren 2006-2010 war ich im Stadtrat in der damaligen Opposition. Da wir ziemlich kritisch gegenüber dem waren, was damals in unserer Gemeinde geschah, suchten wir einen Kandidaten für den Bürgermeister. Und dann trafen wir Grzegorz Kupczyk, der in Tost eigentlich wenig bekannt war, weil er nach dem Abitur in Posen – studierte und dann an seiner Promotion arbeitete. Wir haben das erste Wahltreffen, eine Art „Generalprobe“ vor dem Wahlkampf, in unserem Büro in einer geschlossenen Gruppe organisiert. Der Kandidat hielt seine Rede auf Deutsch, sodass er natürlich sofort die Herzen der Mitglieder der Ortsgruppe eroberte.

Dorota: Später führte ich mehrere Wahlversammlungen in nahe gelegenen Dörfern durch und nach den siegreichen Wahlen und der Vereidigung war der erste öffentliche Auftritt des neuen Bürgermeisters die Eröffnung des ersten Toster-Adventsmarktes, der damals von unserem DFK organisiert wurde. Diese guten Kontakte waren und sind weiterhin fruchtbar auf vielen Ebenen. Vor allem, wenn es um Bildung geht. Die Initiative zur Schaffung zweisprachiger Klassen kam aus unseren Reihen, aber ihre Umsetzung wurde notwendigerweise von den kommunalen Einheiten aufgegriffen. Heute haben Kinder aus jedem Grundschuljahr die Möglichkeit, vom zweisprachigen Unterricht zu profitieren, obwohl es in Zukunft sicherlich notwendig sein wird, über eine Verbesserung der Qualität des Deutschunterrichts in einzelnen Fächern nachzudenken. Wir können auch auf eine gute Zusammenarbeit bei anderen Projekten für die junge Generation zählen, bei denen wir die kommunale Infrastruktur mehr oder weniger stark nutzen – beispielsweise die Kindergartenräume für den Deutschen Kinderclub oder die Burg bei Jugendbox-Aufführungen.

Michał: Der zweite Bereich der guten Zusammenarbeit ist die Förderung des Wissens über unsere Geschichte. Dies gilt zum Beispiel für die Person des Dr. Ludwig Guttmann oder die Erinnerung an das NKWD-Lager in Tost. Natürlich engagieren wir uns als DFK auch in der Zusammenarbeit mit unserer Partnergemeinde Hohenau in Bayern. Wenn es um die Zukunft geht, gibt es viele Themen: von der Anbringung einer Gedenktafel an dem Gebäude, in dem Guttmann geboren wurde, über die aktive Beteiligung des Bürgermeisters am 30-jährigen Jubiläum des DFKs in Tost, das auf das nächste Jahr verschoben wurde, bis hin zur – vielleicht – Umsetzung von einer Idee, die während der Debatte zum Abschluss des 75. Jahrestages des Kriegsendes entstand, d. h. der Gründung einer Stiftung zur Pflege der Erinnerung an die Opfer des Lagers Tost.

Warum setzen Sie sich so stark für die Zusammenarbeit zwischen der deutschen Minderheit und der polnischen Mehrheit ein?

Dorota: In einer Stadt wie Tost wäre es schwierig, die Grenze zwischen diesen beiden Gruppen zu ziehen. In unserer Generation und noch mehr in den nachfolgenden Generationen gibt es viele Menschen, die aufgrund ihrer gemischten Wurzeln und Sozialisation ihre Identität oft nicht eindeutig definieren bzw. sagen können, wer sie sind. Hier hat fast jeder zumindest einige deutsche Vorfahren, obwohl er sich nicht immer mit der Minderheit selbst identifiziert. Wenn wir Initiativen entwickeln, teilen wir uns nicht in Minderheit und Mehrheit, sondern in diejenigen, die mitmachen und sich engagieren wollen und diejenigen, die es vorziehen, beiseite zu treten und in einigen Fällen alles zu kritisieren.

Sie wurden beide mit Dankesurkunden des deutschen Botschafters in Polen ausgezeichnet. Was ist das für ein Gefühl, so eine Auszeichnung zu bekommen?

Michał: Es war eine völlige Überraschung für uns. Was ist das für ein Gefühl? Zuerst Rührung… Umso mehr, als sich herausstellte, dass der Brief im April von Rolf Nikel, dem ehemaligen Botschafter, unterzeichnet worden war.

Dorota: Ja, eine sehr angenehme Überraschung, dass sogar die Botschaft in Warschau weiß, dass in Tost etwas Positives geschieht. Andererseits aber auch die Verpflichtung zu weiterem Engagement und Dankbarkeit gegenüber allen, die uns bei diesen Aktivitäten auf verschiedene Weise unterstützen.

Auf welches Projekt oder Initiative sind Sie am meisten stolz und warum?

Dorota: Ich würde sagen, dass in unserm DFK Platz für alle Generationen ist und – diese Rückmeldung erreicht uns – dass Vertreter dieser verschiedenen Generationen sich bei uns wohl fühlen. Ich erinnere mich, dass mir gesagt wurde: Warum gehst du zu dieser Minderheit, es ist nur für ältere Menschen! Diese Senioren sind bis heute unsere treuesten Mitglieder, aber auch sie freuen sich darüber, dass ihre Kinder, Enkel und manchmal Urenkel das Angebot des DFKs nutzen.

Michał: Ich möchte auf ein konkretes Projekt hinweisen, das aus meiner Idee entstand. Meine beiden Leidenschaften – Fahrrad und Geschichte – zu verbinden, ist ein Beispiel für eine Veranstaltung, an der alle Generationen teilnehmen. Im Juni fand zum 13. Mal die Fahrradtour durch das Toster Land statt. Jedes Jahr besuchen wir mehrere historische Stätten im Umkreis von 25 km um Tost. Damit alle teilnehmen können, werden die Radfahrer von einem Bus begleitet. In diesem Jahr haben wir aufgrund der Pandemie die Teilnehmerzahl auf einhundert begrenzt und die Listen waren nach drei Tagen voll.

Woher nehmen Sie die Kraft und Motivation, um immer weiter zu machen?

Dorota: Nun, manchmal ist es schwierig, aber wenn man die Ergebnisse dieser Arbeit sieht – wenn man beispielsweise unseren immer zahlreicher werdenden Chor Con Colore hört, ist es schwierig, alles zu verlassen. Aber – ich gebe offen zu, ich suche einen Nachfolger als Vorsitzenden in unserer DFK-Ortsgruppe.

Michał: Es ist auch ein Gefühl einer gewissen Verpflichtung gegenüber den Vorfahren, die dieses schlesische Erbe an uns weitergegeben haben. Mein Uropa Johann war in Stollarzowitz (Stolarzowice) Gemeindevorsteher, er baute die Pfarrkirche und gründete verschiedene Organisationen. Seine Söhne haben sich engagiert (auch während der Volksabstimmung in Oberschlesien) und seine Enkelkinder ebenfalls. Bei Dorota war es ähnlich, also haben wir eine Art genetische Belastung.

Dorota: Wenn die Nachkommen der Opfer des Lagers zu uns kommen, denke ich an meinen Großvater, der anonym in Karaganda ruht. Auch dies ist eine Motivation, diese Erinnerung zu pflegen.

Die Strukturen der deutschen Minderheit werden immer älter, was könnte man Ihrer Meinung nach dagegen machen?

Dorota: Alle Änderungen sollten evolutionär sein. Wir in Tost schaffen es irgendwie, die meisten Vorstandsmitglieder sind jünger als ich. Aber man kann nichts von einem Tag auf den anderen ändern. Manchmal ist es wirklich notwendig, sich auf die biblische Wahrheit zu beziehen, dass diejenigen, die in Tränen säen, in Freude ernten werden. Die besten Ideen „von oben“ bringen wenig, wenn es keine Menschen gibt, die bereit sind, ihre Zeit solchen weniger spektakulären Aktivitäten zu widmen, wie die Eröffnung eines Samstagskurses oder die Eltern zu überzeugen, einen deutschen Kinderclub zu gründen. Gerade solche Projekte aber ziehen sowohl Kinder als auch ihre Eltern zu uns an.

Michał: Solche Projekte haben einen großen Einfluss auf das Image der Minderheit. Und ich muss zugeben, dass es mich schmerzt, wenn ich die Listen der Gruppen durchsehe, die ihren Beitritt zu diesen Projekten beantragen, dass es so wenige DFK-Ortsgruppen aus unserer Woiwodschaft gibt. Historische oder streng kulturelle Projekte sind wichtig, aber ohne Sprachkenntnisse werden wir als Minderheit nicht überleben. Wie sollten wir diese Kultur oder Geschichte ohne die deutsche Sprache kennenlernen?

Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Minderheit?

Michał: Es ist eine schwierige Frage. In einer kurzen Perspektive von 4 bis 5 Jahren wird es wahrscheinlich eine Fortsetzung des aktuellen Modells sein, obwohl vieles davon abhängt, wie lange die Pandemie andauern wird. Aber auf lange Sicht, sagen wir eine Generation voraus, das sind 25 Jahre, wird die Minderheit dort überleben, wo sie bereit ist, sich zu ändern, die Zeichen der Zeit zu lesen. Die Minderheit wird sicherlich kleiner sein, sie muss sich dann eher auf Qualität als auf Quantität konzentrieren. Aber diese Frage nach der Zukunft, auch in dieser Perspektive, sollten wir uns schon jetzt stellen. Und ich habe nicht immer den Eindruck, dass dies in unserer SKGD passiert.

Dorota: Wir in Tost versuchen, die bestmöglichen Bedingungen zu schaffen, um diesen Staffellauf von Generationen fortzusetzen. Aber es wird die Entscheidung der nächsten Generation sein. Ich hoffe, dass sie mich in 20 Jahren zum 50. Gründungstag unseres DFKs einladen.