„Sie haben das Recht zur Erinnerung“

Nicht nur Schicksale jüdischer Familien, sondern auch eine umfangreiche Ikonographie wird das Buch „Leere Stühle. Geschichten der Juden aus Schlesien” (poln. „Puste krzesła. Historie Żydów ze Śląska”) präsentieren. Das Buch erscheint im Juni und soll die oberschlesische Geschichte um die etwas verdrängte Geschichte der Juden aus Oberschlesien ergänzen. Mit Leszek Jodliński, dem Autor des Buches, sprach Anita Pendziałek.


Anfang Juni erscheint Ihr Buch unter dem Titel: „Leere Stühle. Geschichten der Juden aus Schlesien”. Das ist eine Premiere, obwohl manche Texte dem Leser bekannt vorkommen mögen...

Tatsächlich. Das Buch ist eine Publikation, die Texte beinhaltet, die größtenteils schon präsentiert wurden. Was diese Sammlung jedoch unterscheidet, ist, meiner Meinung nach, der Fakt, dass sie endlich nach jahrelangem Schaffen – die Texte entstanden in den Jahren 2005 bis 2018/2019 – an einem Ort versammelt wurden. Das waren zersplitterte Texte, die eine zusammenführende Redaktion abwarten mussten. Was noch wichtig ist und eigentlich die Hälfte der Texte betrifft – sie unterscheiden sich vom ursprünglichem Text, weil sie ergänzt, aktualisiert und verbessert wurden, was auch mit der Heranziehung von neuem Quellenmaterial  verbunden ist. Man darf auch nicht vergessen, dass alle Texte – außer jenen über die Bernheim-Petition – Presseartikel waren. Dies erforderte Kürzungen und die Anwendung einer Erzählart, die attraktiv ist und die Phantasie anspricht.  Die Texte sollten dennoch Fakten beinhalten und, was vielleicht das wichtigste ist, mit Bildmaterial  ergänzt werden. In sehr vielen Fällen werden das Bilder sein – ich habe keine Angst vor dieser Aussage – die zum ersten Mal publiziert werden, nicht nur in der populären Geschichtsliteratur in Polen, sondern auch auf der ganzen Welt. Einerseits kommt dieses Material aus Museen, wie z.B. dem Museum der Holocaust-Geschichte in den USA, andererseits aus Sammlungen, beispielsweise der in den USA lebenden Familie von Weichmann. Mit ihr war ich in Kontakt und sie hat mir diese Materialien überreicht, damit sie endlich auch dem polnischen Leser präsentiert werden können. Abschließend sage ich es so: es ist eine Sammlung, die aus zwei Teilen besteht. Der erste, das sind acht lange Geschichten von Juden aus Schlesien, vorwiegend aus Oberschlesien. Der zweite sind Essays, die ich früher auf meinem Blog publiziert habe. Auch diese wurden für die  Buchveröffentlichung entsprechend bearbeitet und angepasst. Das Buch „Leere Stühle”  soll in seinem Grundgedanken all das versammeln, was wir über die Schicksale der Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft wissen und was ich über Jahre hinweg darüber geschrieben habe. Denn diese Texte sind schwer zugänglich – sie sind kostenpflichtig, schwierig durch die Suchmaschine zu finden und manchmal ist auch ein Abo nötig. Ich habe also festgestellt, dass, wenn ich mir schon einst die Mühe gemacht habe, diese Texte zu beschaffen, dann wäre es gut, sie wiederzubeleben, so, wie auch die Erinnerung an die Personen, die in meinem Buch präsentiert werden. Diese Wiederbelebung soll die Aufmerksamkeit derjenigen, die sich für die Geschichte der Juden bis 1945 in Oberschlesien und Schlesien interessieren, auf sich zu ziehen.

Sie beschäftigen sich mit der deutschsprachigen Gemeinschaft der Juden schon seit vielen Jahren, indem Sie immer wieder Texte über das jüdische Erbe in Schlesien publizieren. In diesem Buch erzählen Sie Geschichten konkreter Personen und Familien. Ist Ihnen eine persönlich besonders nah?  

Diese Frage, die im Grunde genommen Schicksalsgemeinsamkeiten oder diese Art Nähe betrifft, die entstehen kann, wenn wir Biographien schreiben, ist schwer zu beantworten. Es ist schwierig – und das ist meinerseits keine Koketterie – auf einen Text hinzuweisen, der mir viel näher als alle anderen geworden ist. Ich denke jedoch, dass es drei Geschichten gibt, auf die ich aufmerksam machen möchte. Die erste betrifft das Textilhaus Weichmann (poln. Dom Tekstylny Weichmanna) in Gleiwitz, auch Seidenhaus Weichmann (poln. Dom Jedwabiu) genannt. Es ist ein Bericht von Erich Mendelsohn in Gleiwitz.  Immer, wenn ich nach diesem Text greife, bin ich erstaunt, verwundert und heute endlich auch „befriedigt”, wegen der neuen Fakten. Diese Verwunderung rührt auch daher, dass Anfang der 90-er Jahre diese Fakten nur sehr vereinzelt bekannt waren und heute wissen wir, man könnte sagen, fast alles, um die Schicksale nicht nur des Gebäudes, sondern auch seines Eigentümers Erwin Weichmann, zu rekonstruieren. Dieser Geschichte bringe ich große und besondere Wertschätzung entgegen, wahrscheinlich deswegen, weil es das erste Thema war, mit dem ich mich beschäftigt habe, als es um die Geschichte der in Oberschlesien lebenden Juden geht.

 Die zweite Geschichte, auf die ich aufmerksam machen möchte, ist diejenige, die den Schicksalen von Franz Bernheim und seiner Petition gewidmet ist. Es ist nämlich ein Ereignis in der Geschichte des internationalen Rechtes, das seinesgleichen sucht.  Es wird schwierig sein, eine Situation zu finden, die analog zu dieser ist. Die zu solch einem historischen spektakulären Erfolg, einem Erfolg der Gerechtigkeit und der Menschenrechte über den damals sich ausbreitenden – wir sprechen nämlich über das Jahr 1933 – nationalsozialistischen Totalitarismus geworden ist. Einst habe ich mir Gedanken über eine ständige Ausstellung im Schlesischen Museum gemacht und mir dabei die Fragen gestellt: Was unterscheidet Oberschlesien von anderen Regionen Europas? Welche Geschichten, Gestalten und Ereignisse können als Beispiel für den außergewöhnlichen Geschichtscharakter dieses Ortes dienen? Der Fakt, dass die Petition Bernheims hier entstand und mit Oberschlesien verbunden ist, bewirkte, dass ich ein Gefühl des Stolzes bekam und die Gewissheit, dass Schlesien ab und zu – außer dem, dass es geographisch gesehen im Zentrum Europas lag – auch ein Zentrum von Ereignissen war, die zu den wichtigsten in der Geschichte Europas gehörten.

Und noch auf die dritte Geschichte möchte ich die Aufmerksamkeit lenken – die Schicksale der Familie Hirsch aus Beuthen, früher auch Berlin, Goldap (poln. Gołdap) und Breslau. Sie ist ein Beispiel dessen, was heutzutage am stärksten unser Interesse an der Geschichte erweckt, also  individuelle Schicksale einfacher Menschen, die in Schlesien lebten und arbeiteten, mit denen wir uns identifizieren können und die gleichzeitig außergewöhnliche Schicksalsgeschichten sind. Die in dem Buch präsentierten Schicksale der Familie Hirsch erlauben auch eine Zeitreise ins damalige Israel. Sie sind einer Art Klammer, die die Vergangenheit mit der Gegenwart der Helden verbindet. Es ist keine typische Situation und auch keine, die uns vor Augen geführt wird, wenn wir über die Vergangenheit nachdenken. Es ist quasi offensichtlich, dass wir die Vergangenheit in uns tragen und dass es Menschen gibt, für die die Vergangenheit heute von großer Bedeutung ist. Aber nicht immer denken wir daran. Also Weichmann, Bernheim und Hirsch – diese drei Namen, diese drei von acht Geschichten sind mir, in gewissem Sinne, näher als die anderen.

Juden aus Schlesien haben zur Entwicklung unserer Region vielfältig beigetragen, trotzdem sprechen wir – habe ich den Eindruck – selten darüber. Sind die „Leeren Stühle” Ihr Denkmal für die Verdienten?

Ich bedanke mich für diese Frage. Es ist tatsächlich so, dass schlesische, oberschlesische Juden ein bisschen im Schatten dessen, was als Geschichte Oberschlesiens bezeichnet wird, stehen. Obwohl es derzeit viel mehr Artikel sowie populäre und wissenschaftliche Literatur gibt,  als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Vielleicht ist der Grund dafür – hier nehme ich ein bisschen Bezug auf mein Buch – dass sie nicht besonders viele Ausstellungen und Säle füllen, in denen wir von ihnen erfahren könnten. Diese leeren Stühle, Säle, diese doppelt leblosen Friedhöfe bewirken, dass sie und ihre Schicksale uns völlig entfallen sind. Deswegen sind wir begeistert, wenn diese Menschen wieder entdeckt werden, so wie z.B. Ludwig Guttmann, der sowohl mit Tost (poln. Toszek) als auch mit Königshütte (poln. Chorzów) oder Breslau verbunden ist. Solche Persönlichkeiten tauchen wieder auf oder werden eigentlich neu entdeckt. Wir sollten diese Schicksale nachverfolgend bedenken – wenn sie weggelassen werden, dann wird ihre Abwesenheit die Geschichte sehr verarmen. Genau darum kämpfe ich.  Diese Menschen, diese Schicksale bereichern die Geschichte unserer Region. Weichmann war ein Mensch, ein Kaufmann, ein Unternehmer, der von den Warenhäusern seiner Zeit fasziniert war. Ein Mensch mit einem breiten Horizont, der eine wirtschaftliche Zusammenarbeit mit sowohl mit Frankreich und Großbritannien, als auch mit den Vereinigten Staaten pflegte. Wenn wir über Guttmann sprechen, dann gibt es nichts größeres als die durch ihn ins Leben gerufenen Paralympischen Spiele. Er war auch eine herausragende Persönlichkeit auf seinem Gebiet, eigentlich der hervorragendste Neurochirurg der Zwischenkriegszeit. Die Familie Hirsch, das waren typische Unternehmer, Menschen, die von ihrem selbst erwirtschafteten kleinen Kapital lebten. Zugleich aber, was wichtig ist und was wir  oft vergessen, sehr patriotisch waren. Martin Hirsch – eine Gestalt, die in den Geschichten vorkommt – kämpfte in der deutschen Armee während des Ersten Weltkrieges, eigentlich bis zu seinem Lebensende.  Auch wenn er schon im Exil lebt, wenn er Deutschland verlässt und nach Israel kommt, fühlt er sich und denkt über sich selbst als eine Person, die in deutscher Kultur aufgewachsen ist. So eine Haltung ist für uns oft erschütternd, wenn wir über Menschenschicksale der Zwischenkriegszeit denken. Es fällt uns zu leicht zu vergessen, dass wir von einer Gruppe sprechen, der ihre Rechte genommen wurden. Dies geschah manchmal bei stiller oder unzureichend lauter Kritik von Personen, die in ihrem Umkreis waren. Sie mussten später vor dem Tod, vor der Vernichtung fliehen. Ein Beispiel dafür ist die Familie Karliner aus Peiskretscham (poln. Pyskowice). Ironie des Schicksals – diese Geschichte habe ich nicht im nahegelegenen Gleiwitz kennengelernt, sondern während des Besuches der Ausstellungen in Holocaust-Museen oder des Shoa-Museums in Paris, wo eben Walter Karliner und seine Familie führende Gestalten der Beschreibung der Schicksale der mitteleuropäischen Juden sind. Es sind tatsächlich Personen, die, egal ob auf wirtschaftlichem oder ökonomischen Gebiet oder auch durch ihr Lebensschicksal, unser Wissen über den Alltag unserer Region bereichern.

Ich denke, dass es in vielen Fällen auch eine Patriotismus- Lektion ist. Und diese ist, meiner Meinung nach, in vielerlei Hinsichten immer noch aktuell – eine Lektion, dass wir unseren „Nachbarn” nicht vergessen sollten, weil es tatsächlich ein Nachbar war, der eigentlich nur Nekropole und jüdische Friedhöfe hinterließ. Und eben die leeren Stühle... Die sie nicht mehr belegen, weil sie ihr Leben verloren haben, weil sie emigrierten, weil sie gegangen sind. Diese Leere, die sie hinterlassen haben, ist – meiner Meinung nach – bitter und schmerzlich. Mit dem Buch möchte ich diese Leere füllen. Ich möchte zeigen, was wir verloren haben und welches Erbe wir weiterhin pflegen können. Somit können wir einiges wiedergutmachen und die Schulden „zurückzahlen”. Der Erlass von 1812 und all die Aktivitäten, die geschaffen wurden, so dass wir über Gemeinschaften sprechen, in der alle die gleichen Rechte haben oder in sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht gleichberechtigt sind, erzeugt natürlich die Frage: inwieweit ist die Erinnerung an diese Personen heutzutage gegenwärtig? Ich denke, dass sie in Niederschlesien viel stärker ist. Dazu gehört die Tatsache, dass Breslaus Verbindungen nach Berlin oder in anderen Zentren sehr stark waren. Es kommt jedoch - und hier haben Sie absolut recht – dazu, dass wir über das Phänomen eines weitreichenden Defizits der Wertschätzung der Rolle der oberschlesischen Juden bei der wirtschaftlichen Entwicklung und im sozialen Leben dieser Region sprechen.

Ich erinnere mich an meine Erfahrung mit dem Patriotismus der oberschlesischen Juden – dem deutschen Patriotismus – der für mich symbolisch und ungewöhnlich war. Nun, ich war 2004 im Jüdischen Museum in Berlin, eigentlich am Anfang des Betriebes der Institution. Als das Museum in Gleiwitz eine Ausstellung über Schicksale der jüdischen Gemeinschaft in Gleiwitz vorbereitete, wurde dort in Berlin eine Recherche für die Ausstellung durchgeführt. Ich habe sehr intensiv daran gearbeitet. Dort fand ich Unterlagen über eine in Berlin lebende schlesische Jüdin, die in dem durch sie hinterlassenen Erbe zwei Tickets gelassen hat – Tickets für die Reise nach Gleiwitz am Plebiszittag 20. März 1921 und die Bescheinigung der Teilnahme an der Abstimmung. Dieses Erbe haben dann ihre Nachkommen dem  Berliner Museum übergeben. Ein sehr kleines Detail, aber – meiner  Meinung nach – sehr symbolisch. Es zeigt zum Beispiel, was für eine wichtige Rolle, im sozialen Sinne, für den Aufbau eines bürgerlichen Ethos, die Juden in dieser Region gespielt haben. All diese wirtschaftlichen Fäden, die verursachen, dass wir diese Gruppe von Menschen nie nur durch den Blickwinkel beispielsweise derer, die freiberuflich tätig waren, wahrnehmen, sondern auch durch jene, die sich bei ihrer Suche sehr oft für das schlesische  Land entschieden haben. Für das, würde ich sagen, "Gelobte Land", weil sie, wie gesagt, hier ihre Entwicklungsmöglichkeiten und Ambitionen seit Beginn des 19. Jahrhunderts verwirklichen konnten und versuchten, sehr aktiv ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Sie haben sich für dieses Land entschieden, haben Unternehmen gegründet und gearbeitet. Sie waren eigentlich Bürger, die im gewissem Sinne gehofft haben, für immer hier zu bleiben – und es auch wollten. Diese Hoffnungen und Erwartungen wurden natürlich durch das,  was nach 1933 passierte, zunichte gemacht, was – was ebenfalls zu betonen ist – zu Verzweiflung, persönlichen Tragödien, Verfolgungen, zum Tode und all dem führte, was in den Jahren der Vernichtung denen, die Oberschlesien nicht verlassen haben, widerfuhr. In der Tat sind "leere Stühle" ein solches Symbol, dass – selbst, wenn wir über diese Gemeinschaft denken, sie ist verschwunden – verpflichtet, die Geschichten dieser Gemeinsamkeit zu pflegen und an sie zu erinnern, sie weiterzugeben. Ich fühle diese Art von Verpflichtung. Wenn wir über ein einzigartiges Denkmal für diese Menschen sprechen, ist dies kein Denkmal für die Gemeinschaft, da es zu schwer zu verstehen und zu sehen ist. Dies ist eigentlich ein Denkmal für individuelle Haltungen, denn durch sie kann man – meiner  Meinung nach – diese  Gruppe von Menschen wahrnehmen, erblicken. Menschen, die diese symbolischen Stühle verlassen haben. Mit diesem Buch versuche ich, für einen Moment an ihre Gesichter, an ihr Leben zu erinnern. Ich hoffe, dass das Buch es ermöglicht, diese Erinnerung für eine lange Zeit zu bewahren.

Die Sprache, die Sie in dem Buch verwenden, ist nicht wissenschaftlich. Sie ist allgemein verständlich und bildlich. Ich gehe davon aus, dass das absichtlich war, um nicht nur Kenner und Geschichtsliebhaber zu erreichen.

Das ist wahr. Das, was ich geschrieben habe, behandle ich in einer Sprache, die erzählerisch sein soll. Ich mache das aus verschiedenen Gründen. Einerseits, weil die Texte ursprünglich Presseartikel waren. Andererseits war es mir bewusst, dass Tatsachenliteratur heute sehr populär ist  und gerne gelesen wird. Ich habe mich entschieden, die Sprache der Beschreibung zu vereinfachen. Damit meine ich eine interessante, abwechslungsreiche Darstellung der Geschehnisse, die manchmal zwar außergewöhnlich sind aber tatsächlich stattgefunden haben. Damit will ich zeigen, dass hinter diesen Geschehnissen Menschen stehen und manchmal ein Zufall, Determinierung oder Wille. Dieses Buch flüchtet nicht vor Emotionen. Es gibt sehr viele. Jemand könnte sagen, dass das von einer objektiven Ausführung abweicht. Ich möchte jedoch versichern und betonen, dass dieses Buch – was ab und zu auch im Inhalt, in Fußnoten notiert  – auf Quellen basiert, nach denen man in jedem Moment  greifen  und, falls jemand will, die Inhalte überprüfen kann.  Ich versuche, den Leser damit nicht zu belasten. Ich will, dass es eine Erzählung ist, die nur scheinbar glatt fließt, die angenehm zu lesen ist. Diese empfundene Leichtigkeit beim Lesen bedeutet natürlich nicht, dass es eine leichte Lektüre ist. Aber auch solche Bücher bewirken, dass wir berührt sind. Man kann dieses Buch jedenfalls nicht  als ein geschichtliches mit nüchternen Fakten  bezeichnen.  Solche Texte finden heute, meiner Meinung nach, kein großes Interesse. Die gleiche Sprache finden wir auch in den ursprünglichen Texten, die auf meinem Blog publiziert sind. Dort finden wir u.a. Reflexionen darüber, warum Juden in der Pflege der Geschichte Oberschlesiens so selten zu finden sind. Diese Erinnerung fehlte im Schlesischen Museum und in dem Museum in Berlin ist sie gering, obwohl das ein hervorragendes Museum ist. Schlesische und oberschlesische Juden, das ist ein, sage ich mal, etwas unbeliebtes und verdrängtes Thema, das anzugehen wir uns scheuen. Aus anderen Gründen geschieht das in Israel, wo die Erinnerung an die schlesischen Juden schon verblasst ist und verlorengeht. Die Nachkommen wissen, dass ihre Wurzeln in diesem Teil Europas liegen, wo deutsche Juden lebten. Mehr sind sie nicht in der Lage zu sagen. Ich hoffe, dass es gelingen wird, dieses Buch ins Hebräische zu übersetzen. Das wünsche ich mir sehr. Es sind nämlich Geschichten, die eine Verbreitung verdienen, auch außerhalb Oberschlesiens.  Hier komme ich ein bisschen zu der vorherigen Frage zurück – ich weiß nicht, ob man dieses Buch als Denkmal bezeichnen kann, aber es ist auf jeden Fall ein Versuch zu erinnern, wer diese Menschen und ihre Familien, also diese Gemeinschaft in der Geschichte Oberschlesiens, waren. Sie haben das Recht zum Gedenken, zur Erinnerung. Wir haben die Verpflichtung, dies zu tun.

Die Pandemie-Situation erschwert die Organisation von Autorentreffen. Planen Sie in dieser Situation on-line Treffen mit den Lesern? Verraten Sie auch, wo das Buch erhältlich sein wird?

Die Situation der Pandemie beschränkt die Vermarktungsmaßnahmen. Ich hoffe, dass es auch zu solchen traditionellen Treffen kommt. Das Buch wird in der Buchhandlung unseres Verlags Azory zu erwerben sein. Vor allem ist es lohnenswert, die Internetseite www.azorywydawnictwo.pl zu besuchen, wo das Buch erhältlich sein wird. Ich hoffe wirklich sehr, dass es zu traditionellen, persönlichen Treffen und Lesungen, natürlich unter Berücksichtigung der Vorsichtsmaßnahmen, kommen wird. Sie sind, meiner Meinung nach, sehr wichtig. Geplant sind Treffen sowohl in Gleiwitz, Kattowitz und Breslau als auch in Warschau und auf jeden Fall in Krakau. Bis dahin bedenken wir natürlich auch die Möglichkeit, sich online mit den Lesern zu treffen. Darüber werden wir auf der Facebbok-Fanpage des Verlages informieren. Autorenlesungen und derartige Treffen sind wichtig, weil sie auch eine Möglichkeit bieten, sowohl ihre Werte als auch eventuelle Mängel kennenzulernen. Das Buch wird in erster Linie in unserem Verlag zu finden sein, doch dann, hoffe ich, auch in Buchhandlungen in der Woiwodschaft Schlesien, in Krakau, Breslau oder Warschau, wo die Geschichte der mitteleuropäischen Juden besprochen und thematisiert wird.