Ein Jahr besonderer Erinnerung

Im Jahr 1945 ging der Zweite Weltkrieg zu Ende – 2020 jährt sich zum 75. Mal der Tag, an dem in Europa dieser Krieg beendet wurde. Nächstes Jahr werden wir aber auch 75 Jahre der Oberschlesischen Tragödie begehen. In der Wojewodschaft Schlesien wurde diesbezüglich ein Komitee gegründet.

Für die Bewohner Oberschlesiens war das Jahr 1945, vor allem die letzten Tage im Januar, sehr tragisch und wurde von vielen Menschen nicht als Jahr der Befreiung, sondern als Jahr des Leidens und tragischer Ereignisse in Erinnerung behalten. Die durch Oberschlesien strömende Rote Armee hat Tausende von Opfern hinterlassen. Repressionen, Deportationen in Nachkriegslager, Vertreibungen, Massenmorde, Unrecht, Leid, Raub und Zerstörungen – mit diesen verbrecherischen Taten war der Einmarsch der Roten Armee verbunden und zum Opfer fiel die autochthone Bevölkerung Oberschlesiens. Im Jahr 2020, genau 75 Jahre nach der Oberschlesischen Tragödie, wird den Opfern in besonderer Art gedacht. Leider nicht zum 75. Mal, denn jahrelang, bis zum Jahr 1989, war die Oberschlesische Tragödie ein verbotenes Thema.

Besondere Gedenkfeierlichkeiten

Organisationen der deutschen Minderheit in ganz Polen bereiten sich für den 75. Jahrestag der Oberschlesischen Tragödie vor. Nicht anders ist es in der Wojewodschaft Schlesien, wo der Deutsche Freundschaftskreis im Bezirk Schlesien zusammen mit anderen schlesischen Organisationen sogar ein Gesellschaftliches Komitee des 75. Jahrestages der Oberschlesischen Tragödie in der Wojewodschaft Schlesien (poln. Społeczny Komitet Obchodów 75. Rocznicy Tragedii Górnośląskiej) gegründet hat: „Das Komitee ist ein Endergebnis vieler Treffen und Gespräche – bei den letzten in Kattowitz wurde vereinbart, dass drei Personen das Komitee bilden werden. Dazu gehören der Vorsitzender der Bewegung für die Autonomie Schlesiens, Jerzy Gorzelik, der Vorsitzende des Vereins der Erinnerung an die Tragödie Schlesiens 1945 (poln. Stowarzyszenie Pamięci Tragedii Śląskiej 1945), Joachim Kozioł und ich”, erklärt Martin Lippa, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Freundschaftskreises im Bezirk Schlesien. In Ergänzung zum Komitee wurden auch Arbeitsgruppen gebildet, die sich mit den Aufgaben und Maßnahmen, die das Komitee festgelegt hat, befassen werden.

Inventur der bestehenden und gedenkbedürftigen Gedenkorte

Eine der Aufgaben, mit der sich gerade jetzt die Arbeitsgruppe befasst, ist die Inventur der Gedenkorte der Oberschlesischen Tragödie. „Es geht dabei nicht nur um die Inventur der schon bestehenden Gedenkorte, sondern auch dieser Orte, die noch eine Erinnerung benötigen, also Orte, wo es 1945 nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges und dem Einmarsch der Roten Armee zu tragischen Geschehnissen kam und wo es an Würdigung, beispielsweise in Form einer Gedenktafel, fehlt”, so Lippa. Die Bestandsaufnahme hat aber noch ein weiteres Ziel: das Komitee will eine Publikation mit der Inventur der Gedenkorte der Oberschlesischen Tragödie herausgeben. „Uns liegt es sehr am Herzen, so viel Informationen wie möglich zu sammeln. Deswegen appellieren wir an jeden, der sowohl schon bestehende als auch unbekannte Gedenkorte kennt, sich bei uns zu melden. Bis Ende Juli sammeln wir diese Informationen”, erklärte Lippa und fügte hinzu, dass sich schon jetzt sehr viele Menschen bei den Mitgliedern des Komitees melden.

Was sagen Lehrbücher über die Oberschlesische Tragödie?

Die Arbeitsgruppe soll sich auch mit dem Terminkalender der Gedenkfeierlichkeiten der Oberschlesischen Tragödie im Jahr 2020 befassen. In der Wojewodschaft Schlesien werden diese nämlich seit vielen Jahren von verschiedenen Organisationen und Vereinen veranstaltet und überschneiden sich häufig: „Wir möchten dieses vermeiden. Außerdem planen wir zentrale Gedenkfeierlichkeiten, und deswegen ist der Terminkalender so wichtig”, erklärt Martin Lippa. Eine weitere Maßnahme des Komitees ist die Erstellung einer Internetseite, die den Gedenkfeierlichkeiten der 75 Jahre der Oberschlesischen Tragödie gewidmet wird. Die Gedenkfeierlichkeiten stehen jedoch nicht allein im Fokus der Arbeiten des Komitees: „Wir sind dabei, eine Art Audit der Lehrbücher durchzuführen. Wir wollen herausfinden, ob Informationen zum Thema der Oberschlesischen Tragödie in Lehrbüchern überhaupt zu finden sind und wenn ja, welche und in welcher Form”, betont Lippa und fügt hinzu, dass auch ein Schülerwettbewerb und eine Konferenz auf dem Plan stehen: „Für Schüler wollen wir einen Wissenswettbewerb organisieren und auf der Schlesischen Universität eine Konferenz veranstalten. Was noch durch das Komitee geplant ist, ist ein Sinfoniekonzert”. Im Arbeitsplan des Komitees des 75. Jahrestags der Oberschlesischen Tragödie in der Wojewodschaft Schlesien steht auch die Inventur der Biblio- und Filmografie zum Thema der Oberschlesischen Tragödie – im Jahr 2020 soll an Kinos eine Schau organisiert werden – wie auch die Produktion von YouTube-Videos in Polnisch, Deutsch und Englisch, die über die tragischen Schicksale Oberschlesier aus dem Jahr 1945 erzählen. „Es sind wirklich viele Aufgaben, und ich hoffe, dass es uns gelingen wird, die Mehrzahl von ihnen zu realisieren”, fasste Martin Lippa zusammen.
 

Die Informationen über die Gedenkorte der Oberschlesischen Tragödie werden bis zum 31. Juli 2019 auch im Bezirksbüro des DFK Schlesien gesammelt: biuro@dfkschlesien.pl, 32 415 51 18.