Blasius Hanczuch: Heimat – mein Ein und Alles

Am 16. Januar 1990 wurde der deutsche Freundschaftskreis in der Woiwodschaft Schlesien offiziell registriert. Dies gelang dank des enormen Engagements von Menschen der ersten Stunde, also all denen, die sich für die Entstehung der Organisation der Deutschen in Polen eingesetzt haben. Es wurde einmal gesagt: „Erinnerungen sind das Land, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“ Das Motto blieb in den Herzen dieser Personen, denn die Heimat wurde ihnen weggenommen.

 

Blasius Hanczuch: Heimat – mein Ein und Alles

Meine Heimat ist Benkowitz, wo ich auch geboren bin. Dort habe ich als Kind nur Deutsch gesprochen, sei es zu Hause oder im Kindergarten. Wir gehörten immer zu Deutschland. Es hat sich im Laufe der Geschichte geändert, Benkowitz gehörte mal zu Österreich und zu Preußen und dann zum Kaiserreich. Ich bin ein deutscher Staatsbürger, aber man muss auch das tolerieren, wo man lebt. Es hat mir sehr leid getan, dass viele Leute es nicht durchgehalten haben und aus verschiedenen Gründen in die Bundesrepublik gegangen sind oder sie wurden noch früher vertrieben, aber ich habe mich so festgeklammert an die Heimat und das ist für mich bis heute alles. Es gab dann auch einen Schimmer der Hoffnung, als sich die Bevölkerung Polens in der Solidarność zusammengeschlossen hat, da hatten wir auch ein wenig aufgeatmet und uns in Richtung der Heimat organisiert.

Geheime Treffen

Während des Kriegszustands war eine öffentliche Versammlung nicht erlaubt, aber wir haben uns bei verschiedenen Gelegenheiten wie etwa einem Geburtstag getroffen und es passierte, dass jemand drei Mal im Jahr Geburtstag hatte. Es hat sich herumgesprochen, es ging weit über unseren Kreis hinaus, bis nach Stettin oder Kattowitz. Wir waren dann schon gut organisiert. Unser erstes organisiertes Treffen war am 10. Mai 1985, da haben wir uns schon als Mitglieder beim Deutschen Freundschaftskreis vereinigt. Es sollte ein Kongress der Deutschen stattfinden. Zu dieser Zeit haben wir 200 Einladungen an unsere Mitglieder verteilt. Sie waren namenlos, jeder bekam seine eigene Nummer, damit man keine Schwierigkeiten bekam, wenn es in die falschen Hände gekommen wäre. Einen Tag vor dem Kongress ist der Plan aber geplatzt, denn der Sicherheitsdienst hat davon erfahren, und es kam zur Verfolgung und zu Verhören. Ich habe mir ein paar von diesen Einladungen aufgehoben.

Wir wurden verfolgt

Es tut mir leid, dass uns dann viele verlassen haben. Aber es haben sich wieder Mutige gefunden und wir haben uns in Benkowitz bei der Sandgrube an der Zina in einer Schlucht getroffen. Wir waren damals 60 Aktivisten und haben dort unser Programm fortgesetzt und unsere Satzung aufgebaut. Es kam das Ende von Einladungen zum Sicherheitsdienst und der Verhöre, als ich eines Tages mit meinem Freund aus Roschkau, Max Krettek, vor der Staatsanwaltschaft Kattowitz in Ratibor vorgeladen wurde. Dies dauerte über 4 Stunden, in dem Raum, wo wir immer verhört wurden. Das war kein aufdringliches Verhör, sondern ganz ruhig. Man konnte sich aussprechen. Über die ganze Zeit haben wir uns festgehalten an der Schlussakte von Helsinki, die uns ein Juristenkollege zur Hand gab. Das war die letzte Warnung vom Staatsanwalt, dass wir uns nicht provozieren lassen sollen. Es dauerte nur einen Tag, bis ich wieder zum Sicherheitsdienst gerufen wurde, da wollten sie wissen, worüber wir mit dem Herrn gesprochen haben. Da habe ich gesagt: Liebe Herren, was in Euren Büros geschieht, brauche ich Euch nicht sagen. Seit dieser Zeit bekam ich keine Vorladungen mehr. Wir wurden immer noch verfolgt, nicht direkt, aber sie waren uns immer auf der Spur. Nach der Unterschriftenaktion wollten sie wissen, wie viel Unterschriften wir haben und was wir damit machen werden. Ich habe das nicht verheimlicht, ich habe gesagt, dass ich jede zweite Woche zur deutschen Botschaft fahre, um zu bestätigen, dass wir doch da sind - obwohl uns der Kardinal Glemp verleugnet hat.

Durchbruch

Der größte Durchbruch war in Ratibor, wo wir die Aktivisten von unserem Bezirk eingeladen haben und bei einem Juristen eine Erklärung zur Legalisierung der Organisation an das Kattowitzer Gericht vorbereitet haben. Der Antrag wurde gestellt. Dann bekam ich eine Einladung zum Warschauer Fernsehen, zum Programm Offenes Studio. Dahin bin ich mit dem Juristen Franz Waniek gefahren. Dort kamen wir zu Wort mit mehreren Minderheiten, auch Roma, Ukrainer, Slowaken und Tschechen. Wir konnten deklarieren, was wir möchten. Das Gespräch wurde unterbrochen, weil zwei unserer jungen Mitglieder, die heimlich mitgefahren waren, über mir die deutsche Fahne aufgespannt haben. Ich wollte nicht, dass sie mit nach Warschau fahren, da es zu riskant war und ich wollte auch keine Verantwortung für sie tragen. Da war ein Wirbel und dann auch eine Diskussion. Einige kamen direkt aus Warschau und wollten demonstrieren, aber die Polizei war vor Ort und alles verlief ruhig. Ich bin dann auch noch einmal zu Wort gekommen und konnte in Ruhe alles sagen, was wir uns vornehmen möchten. Der Redakteur war sehr verständnisvoll. Er sagte auch, dass jede Minderheit sich mit einer Fahne erklären kann. Tausende unserer Sympathisanten haben das mitverfolgt und das war der Durchbruch. Alles ging dann sehr schnell.


Die persönlichen Erlebnisse der schweren Zeit in Polen für die Deutschen anfangs der 80. Jahre wurden im Rahmen des Projekts: Underground – die Erinnerungen der Menschen der ersten Stunden niedergeschrieben. Die Erinnerung in Form einer Broschüre und einer Filmreportage auf einer DVD sind in unserer Redaktion erhältlich. Bei Interesse kontaktieren Sie uns unter: o.stimme@gmail.com, oder per Telefon 32 4157968.